Was der österreichische Handel von einem DGNB-Platin-zertifizierten Agile Office lernen kann – und wie KI nachhaltige, flexible Retail-Flächen intelligent steuert.
DGNB-Platin & KI: Was der österreichische Handel von Agile Offices lernen kann
Nachhaltigkeit, gesunde Arbeitswelten und Künstliche Intelligenz wirken auf den ersten Blick wie drei unterschiedliche Themen. Doch wer heute im österreichischen Einzelhandel wettbewerbsfähig bleiben will, muss genau diese drei Dimensionen zusammen denken: vom digitalen, KI-gestützten Store bis hin zur nachhaltigen, produktiven Arbeitsumgebung für Filial- und Zentrale-Teams.
Ein spannendes Beispiel liefert das Agile Office von ALLPLAN: Die Unternehmenszentrale wurde für ihren besonders nachhaltigen und gesunden Innenausbau mit dem DGNB-Zertifikat in Platin ausgezeichnet – ein Status, den bisher nur sehr wenige Innenraumprojekte in Deutschland erreichen. Hinter diesem Büroprojekt stecken Prinzipien, die für die Zukunft des österreichischen Handels hochrelevant sind: Ressourcen-Schonung, flexible Flächenkonzepte, datenbasierte Steuerung und konsequente Nutzerorientierung.
In diesem Beitrag zeigen wir, wie Sie diese Learnings aus dem „Agile Office“ auf Filialnetze, Stores und Backoffices im österreichischen Einzelhandel übertragen können – und welche Rolle KI-Lösungen für Bestandsmanagement, Preisoptimierung, Kundenanalyse und Omnichannel dabei spielen.
1. Warum gesunde, nachhaltige Räume auch im Handel zum Wettbewerbsvorteil werden
Die DGNB bewertet Gebäude ganzheitlich: Ökologie, Ökonomie, soziokulturelle und funktionale Qualität sowie Technik und Prozesse. Das Agile Office von ALLPLAN zeigt, wie sich daraus ein zukunftsfähiges Arbeitsumfeld entwickeln lässt. Doch was hat das mit dem Einzelhandel zu tun?
Kunden- und Mitarbeitererlebnis hängen direkt zusammen
Rund 90 % unserer Zeit verbringen wir in Gebäuden – das gilt für Büroangestellte ebenso wie für Verkäuferinnen, Marktleiter und Logistikmitarbeiter. Für Händler bedeutet das:
- Gesunde, angenehme Arbeitsplätze reduzieren Fluktuation und Krankenstände.
- Attraktive Aufenthaltsqualität in Stores erhöht die Verweildauer und damit den Umsatz.
- Nachhaltige, klimafreundliche Konzepte werden zunehmend Kaufkriterium fĂĽr Konsument:innen in Ă–sterreich.
Im Agile Office wurde deshalb konsequent auf schadstoffarme Materialien, wiederverwendete Bauteile und ĂĽppige BegrĂĽnung gesetzt. Genau diese Prinzipien lassen sich auf Filialumbauten, Shop-in-Shop-Konzepte oder neue Flagship-Stores ĂĽbertragen.
Nachhaltiges Flächendesign trifft digitale Baustelle
Die Planer des Agile Office – das Architekturbüro blocher partners – haben eine Arbeitswelt geschaffen, die klassische Bürostrukturen mit New-Work-Elementen verbindet. Entscheidende Punkte:
- Desk-Sharing statt fester Plätze
- Kombination aus konzentrierten Arbeitszonen und offenen Community-Bereichen
- Farb- und Materialkonzept zur klaren Zonierung
FĂĽr den Handel lassen sich daraus zentrale Fragen ableiten:
- Wie flexibel sind Ihre Flächen wirklich – im Store wie im Backoffice?
- Können Sie auf Saisons, Aktionen oder neue Services (Click & Collect, Return Desks, Beratungslounges) schnell reagieren?
- Werden Umbauten noch „analog“ geplant – oder bereits als digitale Baustellen mit BIM, Simulationen und KI-Unterstützung?
2. Von DGNB-Platin lernen: Fünf Prinzipien für Retail-Flächen
Das Agile Office ist eines von nur wenigen Innenraumprojekten mit DGNB-Platin. Hinter dieser Auszeichnung stehen klare Prinzipien, die sich auf den Einzelhandel ĂĽbertragen lassen.
1. Ressourcen schonen: Reuse statt Abriss
Im ALLPLAN Agile Office wurden vorhandene Elemente wie Innenwandmodule, Türen oder Möbel konsequent auf Wiederverwendbarkeit geprüft und erneut eingebaut. Für Händler bedeutet das:
- Bestehende Regale, Kassenmöbel oder Beleuchtungssysteme gezielt weiterverwenden
- Modulare Systeme einsetzen, die sich bei Umbauten flexibel neu kombinieren lassen
- Materialien wählen, die recycelbar und langlebig sind
Praxisimpuls fĂĽr den Handel:
- Entwickeln Sie einen Filial-Umbau-Standard, der Reuse-Quoten definiert.
- Nutzen Sie KI-gestĂĽtzte Planungstools, um unterschiedliche Layoutvarianten digital zu testen und Materialeinsatz zu optimieren.
2. Gesundheit und Wohlbefinden priorisieren
Im Agile Office kommen biodynamische Leuchten, sensorbasierte Luftqualitätsüberwachung, akustisch wirksame Deckensegel und üppige Begrünung zum Einsatz. Übertragen auf den Einzelhandel heißt das:
- Licht: Tageslichtähnliche Beleuchtung verbessert Orientierung und Aufenthaltsqualität – nicht nur für Mitarbeitende, sondern auch für Kund:innen.
- Luftqualität: Sensorik kann Luftwechsel und Temperatur automatisch steuern – wichtig in dicht frequentierten Stores.
- Akustik: Schallabsorption in Kassenbereichen, Servicepunkten und Wartebereichen reduziert Stress.
Hier kommt KI ins Spiel: Daten aus Sensoren (CO₂, Temperatur, Frequenz, Lautstärke) können in KI-gestützten Gebäudemanagementsystemen ausgewertet und automatisch optimiert werden.
3. Flexible Zonen statt starrer Layouts
Das Agile Office kombiniert kleine Büroeinheiten (2–6 Arbeitsplätze) mit offenen, kommunikativen Bereichen und Community Spaces. Für den österreichischen Handel lässt sich dieses Zonenkonzept adaptieren:
- Ruhige Zonen (Beratung, Testen, Anprobieren)
- Aktive Zonen (Promotion, Aktionsware, Impulskauf)
- Service-Community-Zonen (Abholung, Service, Retouren, Beratung zu Onlinebestellungen)
Mit KI-gestĂĽtzter Kundenanalyse lassen sich diese Zonen laufend optimieren:
- Heatmaps zeigen, welche Bereiche stark oder schwach frequentiert sind.
- KI-Modelle prognostizieren, welche Bereiche zu bestimmten Tageszeiten entlastet oder verstärkt werden sollten.
4. Ästhetik als Steuerungsinstrument
Im Agile Office differenzieren Farben und Materialien klar zwischen Konzentrations- und Community-Zonen: Blau- und Grautöne für klassische Büros, Grüntöne und warmes Holz für Gemeinschaftsbereiche, dunkle Lamellen in Besprechungsräumen.
Im Handel können Sie mit einem ähnlichen Ansatz:
- Zonen emotional aufladen (z. B. nachhaltige Produkte im „Green Space“ mit natürlicher Haptik und Begrünung)
- Orientierung erleichtern (klare Farb- und Materialsignale fĂĽr Service, Kasse, Click & Collect)
- Ihre Nachhaltigkeitsstory sichtbar machen (Materialwahl, Infopoints, digitale Screens mit Ressourcenkennzahlen)
5. Daten als Grundlage fĂĽr kontinuierliche Optimierung
Die DGNB-Zertifizierung ist kein einmaliger Stempel, sondern ein System zur kontinuierlichen Bewertung. Auch im Handel gilt: Layout, Beleuchtung, Klimatisierung, Warenpräsentation – alles sollte datenbasiert weiterentwickelt werden.
KI kann dabei unterstĂĽtzen:
- Sensordaten mit Abverkaufszahlen verknĂĽpfen
- Korrelationen zwischen Raumparametern (Licht, Temperatur, Lautstärke) und Produktivität/Umsatz erkennen
- Handlungsvorschläge für Filialleitungen automatisiert bereitstellen
3. KI im österreichischen Einzelhandel: Von der intelligenten Fläche zum smarten Sortiment
Die Serie „KI im österreichischen Einzelhandel: Retail Innovation“ zeigt, wie weitreichend KI in Handelsunternehmen bereits eingesetzt werden kann. Das Beispiel des Agile Office ergänzt diese Perspektive um die Dimension Raum und Gebäude.
KI für Bestandsmanagement und Flächenplanung
In vielen Handelsunternehmen sind Warenwirtschaft und Flächenplanung noch getrennte Welten. KI ermöglicht es, beides zu verbinden:
- Bestandsmanagement: KI-Modelle prognostizieren Nachfrage auf Filialebene und optimieren Nachschub.
- Flächen- und Regalplanung: Algorithmen empfehlen, wie viel Fläche welche Warengruppe braucht – abhängig von Saison, Region und Online-Nachfrage.
- Digitale Baustelle: Bevor ein Regal versetzt oder eine Abteilung vergrößert wird, wird die Maßnahme virtuell simuliert, inklusive Impact auf Kundenströme und Logistikwege.
So entsteht eine Art „DGNB-Logik“ für den Handel: Nicht nur Energieeffizienz, sondern auch Flächeneffizienz und Kundennutzen werden laufend verbessert.
KI-gestĂĽtzte Preisoptimierung im Kontext von Kundenerlebnis
Preisoptimierung mit KI wird oft rein zahlengetrieben gedacht. Im Verbund mit einer qualitätsvollen, gesunden Store-Umgebung ergeben sich jedoch neue Spielräume:
- Premium-Umgebungen (etwa besonders nachhaltige, gesunde Stores) erlauben teilweise andere Preisstrategien.
- KI kann analysieren, in welchen Filialen Kund:innen besonders auf Nachhaltigkeitskriterien reagieren und dort Sortimente und Preise feinjustieren.
- Aktionen lassen sich gezielt in Zonen mit höherer Aufenthaltsdauer platzieren, die durch Licht, Akustik und Design optimiert wurden.
Kundenanalyse: Wie Raum auf Verhalten wirkt
Im Agile Office werden Sensoren für Luftqualität genutzt; im Handel können ähnliche Technologien erweitert werden:
- Frequenzmessung, Verweildauer, Bewegungsprofile (anonymisiert)
- VerknĂĽpfung mit Kassendaten und Loyalty-Programmen
- KI-Modelle, die erkennen, welche räumlichen Faktoren Kaufentscheidungen beeinflussen
So wird sichtbar, ob etwa ein neu gestalteter „Community-Bereich“ mit Beratungslounge wirklich mehr Service-Anfragen und Up-Selling auslöst – oder ob Anpassungen nötig sind.
Omnichannel-Strategien: Store und Office als ein System denken
Das Agile Office zeigt, wie wichtig Community Spaces und flexible Arbeitsumgebungen für Wissensaustausch und Innovation sind. Für Omnichannel-Händler in Österreich heißt das:
- Zentrale, E-Commerce, Logistik und Filialen als vernetztes Gesamtsystem planen
- Backoffices so gestalten, dass datenbasierte Entscheidungen (z. B. zur Preis- und Bestandssteuerung) schnell getroffen werden können
- Räume für Kollaboration schaffen, in denen KI-Erkenntnisse aus Online- und Offline-Kanälen gemeinsam ausgewertet werden
4. Konkrete Schritte für österreichische Händler: Von der Vision zur Umsetzung
Wie lässt sich der Brückenschlag vom DGNB-Platin-Büro zur KI-getriebenen Retail-Fläche praktisch angehen? Vier konkrete Handlungsschritte:
Schritt 1: Statusanalyse von Flächen, Daten und Systemen
- Wie alt sind Ihre aktuellen Store- und Büroflächenkonzepte?
- Welche Daten sammeln Sie bereits (Warenwirtschaft, Frequenz, Klima, Energie)?
- Wo gibt es Medienbrüche zwischen Gebäudetechnik, Warenwirtschaft, POS und Onlinekanälen?
Schritt 2: Pilotprojekt „Digitale Baustelle“
Starten Sie mit einer ausgewählten Filiale oder einem neuen Flagship:
- Innenraumkonzept nach Prinzipien wie im Agile Office: Reuse, BegrĂĽnung, flexible Zonen.
- Digitale Planung (z. B. BIM) und Simulation von Kundenströmen.
- Sensorik fĂĽr Klima, Frequenz, Aufenthaltsdauer.
- KI-Use-Cases definieren: z. B. Bestandsprognose, Layout-Optimierung, Personaleinsatz.
Schritt 3: DGNB-Denke auf den Handel ĂĽbertragen
Auch wenn eine formale DGNB-Zertifizierung für Innenräume im Retail nicht immer das Ziel ist, können Sie die Logik übernehmen:
- Ökologie: Energie, Materialeinsatz, Kreislauffähigkeit.
- Ă–konomie: Lebenszykluskosten von Ausbauten, Umbauzyklen.
- Nutzerqualität: Gesundheit, Wohlbefinden, Orientierung, Barrierefreiheit.
- Prozesse: Standardisierte Planungs- und Umbauprozesse inklusive Digitalsimulation.
Schritt 4: KI als kontinuierlichen Lernpartner etablieren
Statt einmaliger Projekte braucht der Handel eine lernende Organisation:
- KI-Modelle regelmäßig mit neuen Daten aus Stores, Online-Shop und Logistik füttern.
- Filialteams in der Nutzung von KI-Dashboards schulen.
- Raum- und Ladenbauentscheidungen immer im Zusammenspiel mit Daten und KI-Empfehlungen treffen.
Fazit: Nachhaltige Räume + KI = Retail Innovation mit Signalwirkung
Das Agile Office von ALLPLAN zeigt, wie ambitioniert nachhaltige, gesunde und flexible Arbeitswelten heute geplant und umgesetzt werden können – und wird mit DGNB-Platin dafür belohnt. Für den österreichischen Einzelhandel liegt der Mehrwert darin, diese Prinzipien auf Stores, Logistik- und Büroflächen zu übertragen und sie mit KI-Lösungen für Bestandsmanagement, Preisoptimierung, Kundenanalyse und Omnichannel zu verbinden.
Wer seine Filialen als digitale, nachhaltige Baustellen versteht, in denen Raum, Daten und KI zusammenwirken, schafft nicht nur ein besseres Arbeitsumfeld fĂĽr die Mitarbeitenden, sondern auch ein ĂĽberzeugendes Erlebnis fĂĽr Kund:innen. In einer Zeit, in der Konsument:innen bewusster, digitaler und kritischer einkaufen, kann genau diese Kombination den entscheidenden Wettbewerbsvorteil bedeuten.
Die Frage ist weniger, ob sich der österreichische Handel in diese Richtung entwickelt – sondern wie schnell und mit welchen Partnern. Welche Ihrer nächsten Umbau- oder Neubauprojekte könnten der Startpunkt für eine solche integrierte, KI-gestützte und nachhaltige Retail-Transformation sein?