openBIM und Elektroplanung: Basis für die Baustelle 4.0

KI in der deutschen Bauindustrie: Baustelle 4.0By 3L3C

Standardisierte openBIM-Use-Cases für Elektroplanung schaffen die Datenbasis für KI und Baustelle 4.0. So profitieren Planer, Bauunternehmen und Softwareanbieter.

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openBIM und Elektroplanung: Basis für die Baustelle 4.0

Die deutsche und österreichische Bauindustrie steht mitten im Wandel zur Baustelle 4.0: Künstliche Intelligenz, digitale Zwillinge und automatisierte Workflows verändern Planung, Ausführung und Betrieb von Gebäuden. Damit KI überhaupt verlässlich arbeiten kann, braucht sie eines vor allem: saubere, strukturierte und interoperable Daten.

Genau hier setzt openBIM an – und speziell in der Elektroplanung zeigt sich, wie groß das Potenzial ist. Siemens und buildingSMART haben dazu zwei standardisierte openBIM-Use-Cases für Mittel- und Niederspannungsverteilungen veröffentlicht, die einen wichtigen Baustein für digitale, KI-gestützte Bauprojekte liefern.

In diesem Beitrag zeigen wir, warum interoperable Elektroplanung für Bauunternehmen, Planer und Softwareanbieter so entscheidend ist, wie die neuen Use-Cases funktionieren – und wie sie konkret den Weg zur KI-gestützten Baustelle 4.0 ebnen.

Warum Interoperabilität in der Elektroplanung jetzt entscheidend ist

Elektroplanung war lange ein „Spezialthema“, das getrennt von Architektur, TGA und Baustellenlogistik gedacht wurde. In BIM-Projekten führt das oft zu:

  • verspäteter Einbindung der Elektroplanung
  • Kollisionen zwischen Verteilungen, Schächten und anderen Gewerken
  • hohem Koordinationsaufwand und manueller Datenpflege
  • Medienbrüchen zwischen Planungstools und BIM-Koordination

Gleichzeitig steigt der Druck:

  • Energieeffizienz, E-Mobilität, PV-Anlagen und Speicherlösungen machen elektrische Netze im Gebäude komplexer.
  • Digitale Baustellen brauchen verlässliche Daten, um Materialflüsse, Termine und Montageprozesse zu planen – gerade im Elektrobereich.
  • KI-Lösungen zur automatischen Kollisionsprüfung, Leitungsführung oder Lastoptimierung funktionieren nur, wenn die Daten standardisiert und maschinenlesbar vorliegen.

Ohne interoperable, offene Datenformate bleibt KI in der Bauindustrie Stückwerk.

Standardisierte openBIM-Use-Cases für die Elektroplanung sind deshalb nicht nur ein technisches Detail, sondern eine strategische Grundlage für Baustelle 4.0.

Die neuen openBIM-Use-Cases von Siemens im Überblick

Siemens hat gemeinsam mit buildingSMART zwei standardisierte openBIM-Anwendungsfälle für elektrische Verteilungen in BIM-Modellen formuliert und im Use Case Management (UCM) von buildingSMART veröffentlicht:

  • UC 2.06: Kollisionsprüfung und mechanische Integration von Mittelspannungs-Verteilungen (MV)
  • UC 2.07: Kollisionsprüfung und mechanische Integration von Niederspannungs-Verteilungen (LV)

Beide Use-Cases sind:

  • auf Industry Foundation Classes (IFC 4.3) aufgebaut
  • in realen Projekten erprobt
  • so beschrieben, dass verschiedene Softwarelösungen sie implementieren können

Was diese Use-Cases konkret leisten

Die standardisierten Abläufe definieren unter anderem:

  • welche Informationen zu MV- und LV-Verteilungen im IFC-Modell enthalten sein müssen (Geometrie, Anschlussdaten, Abmessungen etc.)
  • wie diese Objekte im Gebäudemodell verortet werden (z. B. Räume, Schächte, Technikzentralen)
  • wie Kollisionsprüfungen BIM-weit durchgeführt werden können
  • wie Planer, BIM-Manager und Architekten auf die gleichen, konsistenten Daten zugreifen

Damit wird eine gemeinsame Sprache geschaffen, mit der Architektur- und Elektromodelle verlässlich zusammenspielen – unabhängig von der eingesetzten Software.

Von SIMARIS bis BIM-Viewer: Ein durchgängiger Workflow

Eine Besonderheit: Die Use-Cases sind eng mit den Siemens-Tools SIMARIS project und SIMARIS sketch verzahnt – und gleichzeitig offen für andere Software.

SIMARIS project: Elektroplanung wird BIM-fähig

Mit SIMARIS project können Mittel- und Niederspannungsnetze geplant, ausgelegt und selektivitätsgerecht dimensioniert werden. Wichtig im Kontext openBIM:

  • Export von IFC 4.3-Dateien mit 3D-Geometrie und technischen Daten
  • strukturierte Abbildung von Verteilern und Netzstrukturen
  • eindeutige Identifikatoren, mit denen andere BIM-Tools weiterarbeiten können

So wird aus der klassischen Elektroberechnung ein BIM-fähiges Modell, das in Koordinations- und Kollisionsprüfungs-Tools eingelesen werden kann.

SIMARIS sketch: Elektro im architektonischen Kontext

SIMARIS sketch ergänzt den Workflow, indem es:

  • IFC 4.3-Import ermöglicht
  • die elektrische Infrastruktur im Kontext der Architektur visualisiert
  • Raum- und Platzbedarfe prüfbar macht

Planer sehen damit frühzeitig, ob Verteilungen, Schaltschränke und Kabelwege realistisch einbaubar sind – ein zentraler Baustein, um spätere Umplanungen auf der Baustelle zu vermeiden.

Praxisnutzen für Baustelle 4.0

Für Bauunternehmen und Generalplaner ergeben sich aus diesem durchgängigen Workflow klare Vorteile:

  • weniger Kollisionen zwischen Gewerken
  • frühzeitige, belastbare Aussagen zu Platzbedarf und Montageflächen
  • konsistente Datenbasis für KI-gestützte Kollisionsprüfungen und automatische Qualitätschecks
  • Grundlage für digitale Baustellenlogistik (Anlieferungen, Vormontage, Just-in-time-Installation)

Interoperable Elektroplanung als Hebel für KI im Bau

Die Serie „KI in der deutschen Bauindustrie: Baustelle 4.0“ zeigt immer wieder: KI ist nur so gut wie die Daten, auf die sie zugreifen kann. Die Siemens-openBIM-Use-Cases sind ein konkretes Beispiel, wie sich diese Datenqualität in der Praxis herstellen lässt.

Typische KI-Anwendungen, die von openBIM profitieren

  1. Automatische Kollisionsprüfung
    KI- oder regelbasierte Systeme können Verteilungen, Kabeltrassen und Geräte automatisch auf Konflikte mit Wänden, Trägern oder anderen TGA-Systemen prüfen – vorausgesetzt, die Daten sind standardisiert und vollständig.

  2. Optimierung von Leitungswegen
    Algorithmen können Vorschläge für effizientere Trassenführungen oder reduzierte Kabellängen machen, wenn sie auf ein vollständiges 3D-Modell mit einheitlich beschriebenen Elektroobjekten zugreifen.

  3. Ressourcen- und Montageplanung
    Auf Basis der BIM-Daten lassen sich Materialbedarfe, Montagezeiten und Personalbedarf genauer prognostizieren. KI kann Abweichungen früh erkennen und Bauabläufe dynamisch anpassen.

  4. Digitaler Zwilling im Betrieb
    Wenn elektrische Verteilungen sauber im IFC-Modell abgebildet sind, lassen sie sich später in einen digitalen Zwilling überführen. KI kann dann Störungen prognostizieren oder Lastprofile optimieren.

Warum offene Standards hier unverzichtbar sind

  • Herstellerunabhängigkeit: Bauherren und Betreiber vermeiden Lock-in-Effekte.
  • Tool-Vielfalt: Unterschiedliche Software (BIM-Viewer, Koordinationstools, KI-Services) kann auf dieselben Daten zugreifen.
  • Langfristige Nutzbarkeit: IFC-basierte Daten bleiben auch nach Jahrzehnten lesbar – wichtig für Lebenszyklusbetrachtungen.

Für Unternehmen, die ernsthaft in KI und Baustelle 4.0 investieren wollen, sind offene BIM-Standards damit kein „Nice-to-have“, sondern eine zwingende Voraussetzung.

Nutzen für verschiedene Zielgruppen in der Baupraxis

Die standardisierten openBIM-Use-Cases adressieren mehrere Rollen entlang der Wertschöpfungskette.

Für Elektroplaner

  • klare Leitplanken, welche Informationen im BIM-Kontext geliefert werden müssen
  • reduzierter Abstimmungsaufwand mit Architekten und TGA-Planern
  • bessere Nachvollziehbarkeit von Verantwortlichkeiten (wer liefert welche Daten wann?)

Praxis-Tipp:
Elektroplanungsbüros sollten ihre internen Checklisten an den Use-Cases UC 2.06 und UC 2.07 ausrichten und diese in ihre BIM-Abwicklungspläne integrieren.

Für BIM-Manager und Architekten

  • mehr Transparenz bei der Integration von MV- und LV-Systemen
  • weniger Überraschungen bei der Koordination in „späten“ Leistungsphasen
  • bessere Grundlage für regelbasierte Modellprüfungen und KI-basierte Checks

Praxis-Tipp:
Definieren Sie in Ihren Projekten frühzeitig, dass elektrische Verteilungen nach standardisierten openBIM-Use-Cases modelliert werden, und verankern Sie dies in AIA/BAP.

Für Softwareanbieter

  • klare, dokumentierte Referenzprozesse zur Implementierung von IFC-Workflows
  • höhere Attraktivität der eigenen Lösungen in BIM-Projekten
  • Möglichkeit, KI-Funktionen direkt auf standardisierte Datenmodelle aufzusetzen

Praxis-Tipp:
Nutzen Sie die Use-Cases als Blaupause, um Import/Export-Funktionen und Prüfregeln in Ihrer Software zu verbessern und gleichzeitig die Anforderungen der Baupraxis abzudecken.

Schritt für Schritt zur interoperablen Elektroplanung im Unternehmen

Wer von den Vorteilen profitieren will, sollte strukturiert vorgehen. Ein mögliches Vorgehensmodell:

  1. Status quo analysieren

    • Welche Tools werden aktuell in der Elektroplanung eingesetzt?
    • Wie erfolgt der Datenaustausch mit BIM-Modellen heute (Formate, Schnittstellen, Workarounds)?
  2. Use-Cases als Standard definieren

    • UC 2.06 und UC 2.07 als verbindliche Referenz in AIA/BAP aufnehmen
    • Verantwortlichkeiten für Datenlieferung und -prüfung festlegen
  3. Pilotprojekt starten

    • Ein reales Projekt auswählen, in dem MV- und LV-Verteilungen konsequent nach den Use-Cases modelliert werden
    • frühzeitig BIM-Manager, Elektroplanung und ausführende Unternehmen einbinden
  4. Tools und Schnittstellen anpassen

    • IFC-Export/-Import prüfen und ggf. aktualisieren
    • notwendige Datenfelder und Objektstrukturen ergänzen
  5. Daten für KI nutzbar machen

    • Modellprüfungen und Kollisionschecks teilautomatisieren
    • erste KI- oder Regel-basierten Services (z. B. Quality Gates, Dashboards) aufsetzen

Mit jedem Projekt wächst so ein unternehmensweiter Standard, der die Grundlage für weitergehende KI-Anwendungen bildet.

Fazit: openBIM-Use-Cases als Fundament der Baustelle 4.0

Die standardisierten openBIM-Use-Cases von Siemens für Mittel- und Niederspannungsverteilungen zeigen exemplarisch, wohin sich die Bauindustrie bewegt: weg von Insellösungen, hin zu offenen, interoperablen Datenmodellen.

Für die Serie „KI in der deutschen Bauindustrie: Baustelle 4.0“ ist das ein zentraler Baustein: Erst wenn Elektroplanung, Architektur und TGA über IFC sauber zusammenarbeiten, können KI-Systeme ihr volles Potenzial entfalten – von der automatischen Kollisionsprüfung über optimierte Ressourcenplanung bis hin zum intelligenten Betrieb im digitalen Zwilling.

Wer jetzt in standardisierte openBIM-Workflows investiert,

  • reduziert Planungsfehler und Nacharbeiten,
  • stärkt die eigene Datenbasis für KI-Anwendungen,
  • und macht sein Unternehmen fit für die nächste Stufe der Digitalisierung auf der Baustelle.

Die Frage ist deshalb nicht mehr, ob openBIM in der Elektroplanung kommt – sondern, wie schnell Sie es in Ihren Projekten etablieren wollen.